Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE)

Titel: 11. Bernstein Sparks Workshop: Naturalistic integration of information from external stimulation into the ongoing neuronal activities of the brain

Termin: 20.10.2016 bis 23.10.2016

Veranstaltungsort:
Hanse-Wissenschaftskolleg
Institute for Advanced Study
Hörsaal
Lehmkuhlenweg 4
D-27753 Delmenhorst

Referenten: Sliman Bensmaia (Dept. of Organismal Biology and Anatomy, University of Chicago, USA) *** Anthony Burkitt (Dept. Electrical & Electronic Engineering, School of Engineering, Melbourne, Australien) *** Udo Ernst (Institute for Theoretical Physics, Universität Bremen, Deutschland) *** Eduardo Fernandez Jover (Institute of Bioengineering, Universitas Miguel Hernandez, Alicante, Spanien) *** Jannis Hildebrandt (Dept. of Neuroscience, Universität Oldenburg, Deutschland) *** Andreas Kreiter (Brain Research Institute, Universität Bremen, Deutschland) *** Kristine Krug (Oxford Neuroscience, University of Oxford, GB) *** Walter Lang (Institute for Microsensors, -actuators and -systems, Universität Bremen, Deutschland) *** Mikhail A. Lebedev (Duke University Medical Center, Durham, USA) *** Thomas Lenarz (MHH, Hannover Medical School, Deutschland) *** Hubert H. Lim (Dept. of Biomedical Engineering, University of Minnesota, USA) *** Tobias Moser (Institute for Auditory Neuroscience & InnerEarLab, University Medical Center Göttingen, Deutschland) *** Klaus Obermayer (Institute of Software Engineering and Theoretical Computer Science, TU Berlin, Deutschland) *** Dmitry Osipov (ITEM – Institut für Theoretische Elektrotechnik und Mikroelektronik, Universität Bremen) *** Rajan Ramesh (School of Biomedical Sciences, Monash University, Australien) *** Christopher Rozell (School of Electrical and Computer Engineering, Georgia Institute of Technology, USA) *** Mohamad Sawan (Institute for Electrial Engineering, University Polytechnique, Montreal, Kanada) *** Alessandro Vato (Center for Neuroscience and Cognitive Systems, Istituto Italiano die Tecnologia, Rovereto, Italien) *** Günther Zeck (NMI, Research group Neurochip, Tübingen, Deutschland) *** Eberhart Zrenner (Institute for Ophthalmic Research, Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland)

Weitere Informationen:
http://www.nncn.de/de/neues/termine/11-bernstein-sparks-workshop

Kurzbeschreibung: In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Entwicklung von funktionellen Neuroprothesen gemacht. Im medizinischen Alltag werden heutzutage routinemäßig Cochlea- Implantate eingesetzt, um einer großen Zahl von gehörlosen Patienten wieder die Wahrnehmung von Umgebungsgeräuschen und Sprache zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden medizinische Zulassungen für die ersten Versionen von künstlichen Netzhaut-Implantaten erteilt. Um jedoch eine noch größere Anzahl von Patienten zu behandeln ist ein Schritt weg von den Sinnesorganen und hin in Richtung des Gehirns notwendig: das große Ziel ist die direkte Stimulation des visuellen, auditorischen oder sensomotorischen Kortex und die Integration von sinnvollem Inhalt in die laufende neuronale Informationsverarbeitung mit Hilfe dieser künstlichen SchnittstelleDieser Ansatz würde beispielsweise die Entwicklung besserer Seh- und Hörprothesen erlauben und direkt haptisches Feedback für Armprothesen liefern.

Tierversuche haben gezeigt, dass eine einfache elektrische Mikrostimulation nicht für den Bau einer solchen Schnittstelle geeignet ist. Darüber hinaus ist erwiesen, dass kortikale Schaltkreise mit einer unnatürlichen und langanhaltenden Hemmung ('Inhibition') auf solche Eingriffe reagieren. Dies verhindert eine normale Verarbeitung der eingespeisten externen Signale. Hieraus folgt, dass man mit einer solchen elektrischen Mikrostimulation im besten Fall nur räumlich grobkörnige Wahrnehmungsmuster induzieren kann, die ohne zeitliche Strukturierung auskommen müssen. Im Fall des visuellen Kortex führt eine solche Stimulation zur Wahrnehmung von einfachen, verschwommenen Lichterscheinungen (Phosphene). Trotz aller Bemühungen war es bisher nicht möglich, eine natürlichere Wahrnehmung oder auch nur lokalisierte und orientierte Kanten zu erzeugen.

Im Rahmen dieses Workshops wollen wir mögliche Lösungen für dieses Problem sowie andere Möglichkeiten zur Etablierung von Schnittstellen zum Gehirn, z.B. Zuhilfenahme von optogenetischen Methoden, diskutieren. Da der Brute-Force-Ansatz - das zwangsweise Aufprägen externer Information in die ablaufenden Informationsverarbeitungsprozesse des Gehirns durch eine einfach elektrische Stimulation - nicht funktionieren wird, werden ausgefeiltere Ansätze benötigt. Diese Ansätze müssen die aktuelle Eigendynamik ('ongoing activity') in den neuronalen Schaltkreisen berücksichtigen und zum Erreichen des gewünschten Zustandes mit einbeziehen: Mit dem Gehirn zusammen zu arbeiten, wird immer leichter sein als gegen es zu arbeiten. Hieraus folgt, dass jeder Versuch, eine funktionierende kortikale Prothese zu bauen, ein tiefes Verständnis für die zu Grunde liegenden Netzwerke, Dynamiken und Informationsverarbeitungsprozesse für die Teile des Gehirns, für welche die jeweilige Prothese vorgesehen ist, voraussetzt. Um dieser Herausforderung erfolgreich entgegentreten zu können, ist ein interdisziplinärer Ansatz aus Experiment, Simulation und Theorie absolut notwendig.

Neben diesen Themen aus den Gebieten der Neurobiologie und Computational Neuroscience, gibt es auch wichtige technische Fragen, die mit der Ausführung der Stimulation und dem Bau von robusten, langlebigen Hirnimplantaten verbunden sind. Die Randbedingungen, die solche technischen Systeme erfüllen und ingenieurwissenschaftlich gelöst werden müssen, werden durch die von den Neurowissenschaftlern entworfenen Stimulationsparadigmen und -parameter definiert. Aus diesem Grund ist es ein weiteres Ziel des Workshops, den Dialog zwischen den Wissenschaftlern und Ingenieuren zu fördern.

Zusammengefasst ist das Ziel dieses Workshops, die nächsten wichtigen Schritte auf den Gebieten der Neurobiologie, Computational Neuroscience und Ingenieurswissenschaften zu diskutieren, um eine deutlich natürlichere Integration von externer Information in die laufenden neuronalen Informationsverarbeitungsprozesse zu erreichen. Hierbei soll ein Fokus auf der Entwicklung kortikaler Prothesen für die Tierforschung und letztendlich für Patienten liegen.

Kontakt: David Rotermund
davrot@neuro.uni-bremen.de

Schlagworte: Hirnforschung

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